Das Arbeitsverhältnis ist ein kompliziertes Gebilde
Verträge, die zu einem Arbeitsverhältnis führen sollen, können mündlich und schriftlich geschlossen werden. Mündliche Verträge werden allerdings immer seltener, weil die Beweislage für die vereinbarten Regelungen schwierig ist. Auch der Gesetzgeber hat eine gewisse Verbindlichkeit geschaffen durch das sog. Nachweisgesetz. Dort sind die wichtigsten Angaben aufgeführt, die arbeitsvertragliche Sicherheit schaffen sollen.
Dennoch ist es sinnvoll, sich nicht nur vor dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses über beabsichtigte vertragliche Regelungen zu informieren und eventuell Änderungen zu vereinbaren, sondern auch im Laufe eines Arbeitsverhältnisses in größeren oder kleineren Abständen in den Arbeitsvertrag zu schauen. Einige Vertragsklauseln bedürfen besonderer Beachtung. Ein wichtiger Vertragsbestandteil ist eine Ausschlussfrist. Wird sie nicht beachtet, obwohl die Formulierung den Anforderungen genügt, kann zum Beispiel der Verlust von Geld sehr schmerzlich ausfallen.
Lebenszeit gegen Geld – die Erwartungshaltung, am Ende des entsprechenden Abrechnungszeitraumes das zugesagte Entgelt zu bekommen, ist groß. Entgeldabrechnungen sind häufig nicht nachvollziehbar und zu verstehen. Dennoch sollte ihnen ungeteilte und rechtzeitige Aufmerksamkeit zuteilwerden.
Ein Fall aus meiner Praxis lässt aufhorchen: Die Arbeitgeberin behauptet, der Beschäftigte habe nachweislich einen neuen Hauptarbeitgeber und sie sei nunmehr Nebenarbeitgeberin. Die Ummeldung der Steuerklassen belege es zweifelsfrei. Somit lägen verschiedene Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten vor. Daher führe man das Anhörungsverfahren vor. Die Drohung mit einer fristlosen Kündigung war offensichtlich. Der Vorwurf, der Beschäftigte habe ja nicht gemeckert, obwohl er zu wenig Geld überwiesen bekommen habe, sei ja Beweis genug für sein Fehlverhalten.
Durch Nachfrage des Beschäftigten beim Finanzamt stellte sich heraus, dass die Ummeldung der Steuerklassen von der Arbeitgeberin selbst veranlasst wurde. Sie musste den Fehler einräumen.
Tipp: jede Entgeltabrechnung zeitnah kontrollieren, bei Unklarheiten schriftlich Aufklärung fordern und eventuelle Nachzahlungen mit Fristsetzung verlangen.
Wo sind momentan Ihre Arbeitsvertragsunterlagen?
Nicht erst seit der Coronakrise erinnern sich Beschäftigte, dass sie für zahlreiche Ereignisse vorsorgen sollten. Betreuungsvollmacht, Vorsorgevollmacht, Testament, Besprechungen mit Ärzten über den eigenen Willen und dessen Umsetzung in Krisensituationen sind nur einige Bereiche, die bearbeitet werden sollten, aber häufig verdrängt werden.
Viel näher und wichtiger erscheinen drohender Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit, Einkommensverluste und allgemeine Unsicherheit. Es kann daher sein, dass Arbeitsvertragsunterlagen und weitere Dokumente, die mit dem Arbeitsvertrag im Zusammenhang stehen, schnell zur Hand sein müssen.
Um solche Stresssituation zu vermeiden, können Sie einen Ordner oder mehrere bestimmen, in welchen Sie ihre Arbeitsvertragsunterlagen aufbewahren. Ein Register hilft dabei, Unterlagen zu sortieren.
In den Ordner gehören z. B. Arbeitsvertrag, eventuelle Nachträge, Stellenbeschreibungen, Unterlagen über Mitarbeitergespräche, Unterlagen über betriebliche Altersversorgung, Mitteilungen über Entgelte und eventuelle Erhöhungen, Beförderungen, Belehrungen über Betriebsübergänge, Wechsel von oder zu anderen Arbeitgebern, Zwischenzeugnisse, Schlusszeugnisse, Abmahnungen, Betriebsvereinbarungen, Entgeltabrechnungen, Anmeldung zur Sozialversicherung, Abmeldung zur Sozialversicherung, Lohnsteuernachweise, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ärztliche Bescheinigungen über gesundheitliche Einschränkungen, Unterlagen über Rehabilitationsmaßnahmen oder Krankenhausaufenthalte, Berichte von Besuchen bei Betriebsärzten, Bescheide über Arbeitsunfälle, Anträge auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch, Bescheide dazu, Gleichstellungsunterlagen und Bescheide dazu.
Corona und die Arbeitsgerichtsbarkeit
Die einen kritisieren den Stillstand der Justiz aufgrund Corona, speziell der Arbeitsgerichtsbarkeit, die anderen begrüßen sie. Der Stillstand, oder das, was damit verbunden ist, schafft Freiräume. Allem Anschein nach gibt es aber große Verunsicherung, wie es und wann es tatsächlich weitergeht. Die Gekündigten sorgen sich um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, möchten wissen, wie das Arbeitsgericht […]
Neues Urteil des EuGH zum Jahresurlaubsanspruch
Der Anspruch auf Urlaub ist nicht nur im Laufe eines Urlaubsjahres, sondern auch am Ende eines Urlaubsjahres für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger Gesichtspunkt. Grundsätzlich gilt für alle Fragen im Zusammenhang mit dem Urlaub das Bundesurlaubsgesetz. Aber auch in tariflichen, betrieblichen und einzelarbeitsvertraglichen Regelungen gibt es Hinweise, wie mit Urlaubsansprüchen zu verfahren ist. Die Regelungen im Zusammenhang mit dem Urlaub haben immer wieder die Rechtsprechung beschäftigt. Nun hat der europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestärkt.
Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt nach der Entscheidung des europäischen Gerichtshofes nicht allein deshalb, weil ein Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. So wurde es aber bisher in der deutschen Rechtsprechung gehandhabt. Die Luxemburger Richter haben insbesondere berücksichtigt, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber die schwächere Partei ist, was vielfach dazu führt, dass da kein Urlaub genommen wird. Das führte dazu, dass bisher der Urlaub in der Regel verfallen war. Das hat sich jetzt geändert. Es ist nicht mehr erforderlich, einen Urlaubsantrag zu stellen (man sollte es aber trotzdem machen). Vielmehr hat der Arbeitgeber, insbesondere im Rahmen seiner Personalplanung und Fürsorgepflicht darauf zu achten, dass seine Beschäftigten den Urlaub möglichst im Urlaubsjahr nehmen. Der Urlaub soll der Erholung dienen. Kann der Arbeitgeber jedoch beweisen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer freiwillig auf den Urlaub verzichtet haben, verfällt der Urlaubsanspruch und wohl auch eine Ausgleichszahlung. Fazit: Planen Sie Ihren Urlaub und melden Sie ihn an. Damit sind sie in einer besseren Ausgangsposition für die Durchsetzung ihres Urlaubsanspruches.
Verhaltensbedingte Kündigung im Bereich Gefahrguttransport
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt meistens voraus, dass das nicht akzeptierte Verhalten zuvor abgemahnt werden muss. Die Abmahnung muss ihrerseits den Anforderungen entsprechen, nämlich dem betroffenen Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin klar mitzuteilen, um welches konkrete Verhalten es geht und wann genau dieses stattgefunden haben soll. Zusätzlich muss Gelegenheit gegeben werden, dass Verhalten abzustellen.
Soweit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst bereits erkennen können, dass ihr Verhalten dem Arbeitgeber wohl kaum gefallen würde, kann es sein, dass eine Abmahnung entbehrlich ist. Es ist zu erwarten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Geld zu tun haben, besonders sorgfältig und korrekt arbeiten und abrechnen. Hier wird der berühmte „Griff in die Kasse“ als Beispiel gebracht, bei dem eine Abmahnung in der Regel nicht verlangt wird. Auch Tätlichkeiten im Betrieb bedürfen in der Regel keiner Abmahnung.
Ein LKW-Fahrer mit einer Berechtigung, Gefahrguttransporte durchführen zu können, wird angeblich zweimal mündlich abgemahnt, weil er sich weigerte, Güter zu transportieren. Außerdem wurde ihm Meuterei (!) vorgeworfen sowie Arbeitsverweigerung und nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit.
Die tatsächliche Weigerung des LKW-Fahrers, bestimmte Güte zu transportieren, hing damit zusammen, dass von ihm verlangt wurde, die Güter ohne ordnungsmäße Sicherung der Ladung zu transportieren. Für die Ladungssicherung gab es keine ausreichenden Vorrichtungen. Nachdem der LKW-Fahrer mehrfach verlangt hatte, diese gefährlichen Situationen abzustellen und auch darauf hingewiesen wurde, dass nicht ordnungsgemäß gesicherte Ladung verrutschen und zu schweren oder gar tödlichen Unfällen führen könne, wurden ihm gekündigt. Im Kündigungsschreiben wurde kein Kündigungsgrund angegeben (was auch nicht vorgeschrieben ist), dafür aber eine falsche Kündigungsfrist.
Beide Parteien wollten nicht mehr zusammenarbeiten. Die Vorwürfe konnten in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht aufrechterhalten werden. Die Abmahnungen blieben ebenso im Nebel wie die angebliche Meuterei oder die Arbeitsverweigerung, sodass eine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart wurde. Damit war der Arbeitsgerichtsprozess beendet. Aber die Problematik der Transporte ohne ausreichende Ladungssicherung wurde damit nicht gelöst. Es bleibt nur zu hoffen, dass die LKW aus diesem Unternehmen immer unfallfrei von ihren Touren zurückkehren können.
Kündigung und Integrationsamt
Das Integrationsamt muss vor einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder gleichgestellten eingeschaltet werden. Das gilt für jeden Kündigungsgrund. Auf diesen Standpunkt hat sich das Arbeitsgericht Celle gestellt, das über mehrere fristlose Kündigungen eines schwerbehinderten Mitarbeiters zu entscheiden hatten.
Der Arbeitgeber, ein Theater, war in der Öffentlichkeit sehr bekannt und bot vielen Künstlerinnen und Künstlern Engagements. Die für den Betrieb des Theaters notwendige Technik war jedoch teilweise verbesserungsbedürftig. Dies stellte der Kläger fest, nachdem er seine Arbeit aufgenommen hatte. Die Aufträge zur Beseitigung der Mängel und der Unterweisung und Einweisungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden schließlich vergeben. Dennoch war die Theaterleitung mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Sie kündigte dem Mitarbeiter nach Zustimmung der zuständigen Behörde und Anhörung des Betriebsrates dreimal fristlos. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war nicht möglich wegen des Fünf-Jahres-Vertrages. Der Arbeitgeber kündigte dann noch zweimal fristlos. Der Arbeitgeber hatte aber nur einmal eine Zustimmung zur Kündigung durch das zuständige Integrationsamt erhalten.
In der Kammerverhandlung wurden alle Aspekte des Verfahrens erörtert und geprüft. Dann stellte das Arbeitsgericht klar, dass es die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterstütze, welche besagt, dass für jede beabsichtigte Kündigung zuvor das Integrationsamt eingeschaltet werden muss. Das Arbeitsgericht erklärte zwei Kündigungen für nichtig, weil das Integrationsamt nicht zugestimmt hatte. Die dritte Kündigung wurde für unwirksam erklärt, weil für einen nachgeschobenen Kündigungsgrund zuvor die erforderliche Beteiligung des Integrationsamtes fehlte. Das Arbeitsgericht wies auf andere Stimmen in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur hin, die eine nochmalige nachträgliche Beteiligung zu einem neuen Kündigungssachverhalt nicht für erforderlich halten, weil dies im Hinblick auf den Schutzgedanken des Arbeitnehmers nicht sinnvoll sei. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Arbeitsgericht nicht an, weil gerade der Rechtsstreit zeige, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt waren, auf Grund des Schutzzweckes und der rechtlichen Konstruktion des Sonderkündigungsschutzes für Schwerbehinderte unzulässig sei. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte in seinem Urteil vom 22.06.2006 – 1 Sa 96/06 – bereits zu dieser Problematik entschieden. Auch wenn der nachgeschobene Kündigungsgrund nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht, hat das Arbeitsgericht Celle sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 08.11.2007 (Az: 2 AZR 425/06) und 15.11.2012 (Az: 8 AZR 827/11) gestützt. In seiner Entscheidung von 2012 wies das BAG daraufhin, dass das Integrationsamt nur auf Grund der durch den antragstellenden Arbeitgeber dargestellten Gründe eine Entscheidung treffen kann.
Von Bedeutung war u.a. auch die Tatsache, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gegeben hatte, zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat inzwischen Berufung eingelegt.